
Lebt und arbeitet in Darmstadt
Drei Tage in einem. Am ersten Tag des Tages würde ich die Tür im Atelier zu und nicht mehr auf machen, ganz durchlässig werden und Bilder zeichen, nähen und entstehen lassen. Am zweiten Tag des Tages würde ich mehr in dem Kontext baden, in den ich gerade komme. Dort ganz aufmerksam aufnehmen oder ablehnen, was kommt. Wie ein Sachensucher am Strand. Nur manche Muscheln oder Steine erregen meine Aufmerksamkeit. Andere beachte ich nicht, lasse ich liegen. Es ist wie ein Aussen und Innen und ein Gewebe von Beidem entsteht, um das es mir geht. Denn aus meinen Erlebnissen nähren sich meine Bilder. Sie sind Antwort, Frage, Ressonanz und Weltenbau gleichermassen. Sie sind für mich Ausdrucksmittel aber sie wirken auch auf mich zurück und erklären mir, ordnen mich, zeigen mir, erzählen mir und anderen. Meine Bilder sind wie mein Atem, sind die Verbindung zwischen Innen und Außen. Sie sind wie Wellen und bespielen einen Grenzstreifen, ganz unbedarft und doch voller Bedeutung- den Übergangsraum zwischen Wasser und Land.
Der dritte Tag am Tag ist notwendig aber nicht weiter erwähnenswert.
Er steckt voller Notwendigkeiten, die getan werden müssen.
Die das Gewebe manchmal strapazieren, es aber auch tragen.
Als ich 8 war, hat mir meine Mutter eine Nähmaschine geschenkt. Ich wollte weder nähen und stricken lernen. Ich war dafür zu ungeduldig. Später habe ich dann eigene Kleider genäht. Ich habe ein Kleidungsstück auseinandergeschnitten und die Teile mit einem zweiten Kleidungsstück verbunden. Auch hier war die Naht der Übergang. Auch der Übergang in die Pubertät.
Erst im Studium auf der Hochschule für Gestaltung kam in einer durcharbeiteten Nacht der kleine experimentelle Moment, inder ich eine Zeichnung unter die Nähmaschine legte.
Ich mochte es, wie die Maschine fast körperlich in Kontakt mit der Zeichnung geriet – sie durchbohrte und fast schwängerte, sie weiterführte, sie endgültiger als die pure Zeichnung werden lies, ihr ein Kleid anzog. Ich bin seitdem dabei geblieben.
Ich bin im Odenwald aufgewachsen. In einem Dorf mit viel Wald und wenig Einwohnern. Meine Kindheit habe ich am Bach und im Wald verbracht. Wir haben uns Hütten aus Stöcken und Fäden gebaut und Netze gesponnen. Nachmittage lang. Hier taucht das Material Faden zum ersten Mal auf. Es waren glückliche Tage. Garn und Faden sind ein glückliches Material für mich. Weich. Stark. Zusammenhaltend. Formbar. Potent. Linear und fähig die Fläche zu erobern.
Nähzeichnend die Fläche erweben, Gewebe erzeugen, Zeugnis schaffen, Verbindungen binden, Rhythmus und Körper finden. Nähen ist sehr körperlich für mich. Es ist sinnlich mit den Fingern über die genähte Struktur zu streichen.
Wenn ich nun im Zuge meiner aktuellen Arbeit „schön aber tot“ im Wald bin, kehre ich zurück, zu damals. Kehre ich zurück zu meinem Opa, den ich nie kennengerlernt habe. Der Tierfotograf wurde, die Stille des Waldes suchte als Ort der Verarbeitung nach dem Krieg.
Ich spüre, dass sich etwas Altes zu lösen beginnt. Wir haben es mit sich enfaltenden Ereignisketten zu tun, nach denen es nicht in einen status quo ante zurückgeht. Es sind Endlichkeitsphänomene – wo ohne Rücksicht auf Leben von Pflanzen und Tieren Ressourcen an- und abgebaut werden, sterben die Arten aus. Und wo sie aussterben, werden Nahrungsketten unterbrochen und das Sterben kumuliert. Dass Arten und Tiere also nicht nur sterben, sondern für immer aussterben, beschäftigt mich. Auch wir Menschen gehörten zu diesem Kreislauf.
Kann man das Auflösen eines uralten Gewebes spüren?
Unsere Atmosphäre ist eine sehr dünne Membran, die den Planten umgibt – im Vergleich zur Erde so dünn wie die Schale eines Apfels im Verhältnis zum ganzen Apfel. Ohne Atmosphäre kein Leben. Ohne Sonnenlicht, das von Pflanzen der Welt eingefangen wird, kein Sauerstoff. Ohne Sauerstoff kein tierisches Leben, Wir sind vollständig in das Netzt gegenseiten Verbundenseins hineingewebt. Das Chlorophyll- und das Hämoglobinmolekül sind auf derselben Porphyrin-Ringstuktur aufgebaut. Chlorophyll hat ein Magnesiumatom in der Mitte. Auf dieser Weise hat das Leben (oder die Realität) schon vor langer Zeit herausgefunden, wie man das Sonnenlicht auf diesem kleinen Planeten einfangen kann, Ausserdem ist da noch das Hämoglobinmolekül, das natürlich rot ist und ein Eisenatom in der Mitte des Rings hat. Es transportiert den Sauerstoff aus der Luft, die in unsere Lungen gelangt, über die roten Blutkörperchen zu jeder einzelnen der Billionen Körperzellen. Die Blutkörperchen sind rot, weil sie aus Hämoglobin bestehen.
Und dieses intelligente Netz – gewachsen seit Urzeiten – entwebt sich aktuell, es wird wärmer, Zyklen verschieben sich, Bäume sterben, Tierarten verschwinden in einer von der Erdgeschichte noch nie erlebten Geschwindigkeit. Wir Menschen haben alle Regionen der Erde entweder bereits umgestaltet oder sind gerade dabei.
Ökotrauer ist das neue Wort für die Traurigkeit, welche die Menschen als Reaktion auf den Verlust ihres vertrauten Ökosystems empfinden. Und diese Traurigkeit ist höchstproduktiv. Wenn man sie zulässt und nicht verdrängt, erschrickt man, fühlt sich betroffen und kommt so eher ins Handeln.
Gegenstand meiner Arbeit ist die berührende Ästhetik der Tiere und die Hoffnung meine eigene Betroffenheit über ihr Verschwinden auf den Betrachter zu übertragen.
Ich möchte untersuchen, wie es sich anfühlt, dass das, aus dem wir selbst sind, beginnt sich aufzulösen. Ich möchte Raum schaffen, zu bedauern dass einzigartige Formen aus der Welt verschwinden, möchte Raum schaffen für Reflexionen darüber, was es in einem auslöst, sich einen Morgen ohne Vogelgesang vorzustellen und die Sehnsucht schüren, das erhalten zu wollen.
Mit dem Material Garn&Faden zeige ich in Form von gestickten Bildern Kreisläufe, die sich auflösen. Die Symbolik eines Fadens soll; einer Kette übergreifend davon erzählen, dass die Diversität der Biosysteme zusammenhängt und dass diese anlehnend an die Kippelemente der Erde nicht auseinanderreissen darf.
Die gestickten Tierbilder sind dabei in Korrespondenz mit ihrer natürlichen Welt, schmiegen sich einerseits in ihrer Stofflichkeit an schon vorhandene Formen an, andererseits sind sie von ihnen abhängig und agieren hier ganz im Wirkprinzip von natürlichen Ordnungen.

Vita:
1978 geboren in Heidelberg
2000-2004 Ausbldung zur Kommunikationsdesignerin auf der Frankfurter Akademie für Kommunikation und Design.
2004-2008 Studium auf der Kunsthochschule Hfg /Offenbach Fachrichtung Zeichnung und Illustration bei den Professoren Mariola Brillowska und Manfred Stumpf
November 2008 Diplom bei Prof. Mariola Brillowska
Seit 2007 selbständig als Künstlerin und Illustratorin. Lebt und arbeitet in Darmstadt mit Mann und den zwei besten Kindern der Welt
2013 Masterstudiengang an der Kunsthochschule Berlin Weissensee
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